Meine erste Begegnung mit Szechuan Pfeffer hatte ich in Peking in einem Grillspieß-Restaurant. Die kleinen Spieße, die mit der Hand gegessen wurden, waren mit einer Kruste aus rötlichen Flocken umzogen. Ich erwartete Schärfe, aber die Lippen fingen an zu kribbeln, standen nach kurzer Zeit unter lokaler Anästhesie und wirkten, als seien sie mit Botox aufgespritzt.
Später fand ich dann heraus, dass die roten Flocken nicht nur das erwartete Chili enthielten, sondern auch auch Szechuan Pfeffer, ein äußerst faszinierendes Gewürz, das mit Hilfe von chemischen und neurologischen Prozessen ein einzigartiges Geschmacksergebnis auslöst.
Der Szechuan Pfeffer ist, wie mit dem Namen nicht weiter verwunderlich, in der Sichuan-Provinz im westlichen China heimisch. Auch Anis- oder Blütenpfeffer genannt, ist er, aus der Familie der Rautengewächse stammend, näher mit einer Zitruspflanze verwand, als mit gewöhnlichem Pfeffer. Als Gewürz werden die von den Samen befreiten und anschließend getrockneten Fruchtkapseln verwendet. Szechuan Pfeffer ist nicht scharf, sondern hat ein spritziges, zitroniges Aroma, und gibt seine besondere Note in allen erdenklichen Anwendungsformen: Auf dem Grill, im Topf oder in der Pfanne. Zu Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten oder Gemüse. Zum Einlegen und Marinieren, in Saucen und Suppen, und durchaus auch zu Obst oder Schokolade.
Besonders faszinierend ist aber das einzigartig kribbelnde Gefühl, das Lippen und Mund zunächst vibrieren lässt, und anschließend betäubt. Verantwortlich für diesen Sinneseindruck ist das Molekül Hydroxy-alpha-Sanshool. Dieses aktiviert an Mund und Lippen spezifische Rezeptoren. Rezeptoren sind Sinneszellen, die chemische oder physikalische Reize aufnehmen und in eine Form umwandeln, die von den Nerven verarbeitet und übertragen werden können. Das Sanshool spricht nun jene Sensoren an, die Berührungen wahrnehmen können, also für den Tastsinn verantwortlich sind (im Gegensatz zu Chili, dessen Inhaltsstoff Capsaicin die Schmerzrezeptoren anspricht). Hierdurch wird das Kribbeln ausgelöst. Gleichzeitig unterbricht das Sanshool die Signalweiterleitung in den Nervenenden der angesprochenen Zellen (wie bei einer lokalen Anästhesie), wodurch es zu dem Taubheitsgefühl kommt.
Die Sanshoole machen den Szechuanfeffer einzigartig, sie sind sonst in keinem anderen Gewürz zu finden. Ein ähnlichen kribbelnden und betäubenden Effekt allerdings, wenngleich auch weniger intensiv und kürzer andauernd, lösen die sogenannten Szechuan-Buttons aus, die momentan in einigen ambitionierten Restaurants recht beliebt sind. Es handelt sich hierbei um die Blüten der aus Südamerika stammende Jambú-Pflanze. Jambú enthält zwar kein Sanshool, aber dafür das chemisch recht ähnlich gestrickte Spilanthol. Szechuan Peffer und Szechuan-Buttons haben nichts miteinander zu tun, und es ist wohl reiner Zufall und eine Laune der Natur, dass zwei verschiedene Pflanzen auf der gegenüberliegenden Seite der Erde mit sehr ähnlichen, nervenstimulierenden Molekülen ausgestattet wurden.
Biochemie und neurologische Prozesse mal außen vor, die Erkenntnis, dass man mit kulinarischen Kreationen selbst den Tastsinn stimulieren kann, ist einfach wunderbar, und das Erlebnis, das eine Mischung aus Chili und Szechuan Pfeffer auf Lippen und Zunge auslöst, macht süchtig.